Stirngüsse, Ölmassagen, Yoga – das sind vermutlich die ersten Bilder, die einem Laien durch den Kopf gehen, wenn er an Ayurveda denkt. Und ja, sie sind Teil der wohl ältesten ganzheitlichen Heilkunst in der Geschichte der Menschheit, bei der es sich jedoch keinesfalls nur um ein zeitlich begrenztes Wohlfühlprogramm handelt.
Ayurveda ist und kann viel mehr. Die Grundlage des auf Prävention abzielenden Hindu-Heilverfahrens basiert auf dem Streben nach einem stabilen Gleichgewicht zwischen der Seele, dem Bewusstsein und dem Körper des Menschen sowie dem maßvollen Umgang mit Natur und Umwelt. Dabei dreht sich vieles um die Reinigung des Körpers, eine unerlässliche Voraussetzung für Gesundheit und Wohlbefinden.
Die Weisheit und die Wissenschaft bezüglich unseres höchsten Gutes: des Lebens – Das ist die Bedeutung, die sich hinter dem Wort „Ayurveda“ verbirgt: Dabei steht „Ayus“ für Leben und „Veda“ für Wissen. Ayurveda, die mehrere Tausend Jahre alte ganzheitliche Heilkunst, gilt als die älteste überlieferte Heilkunde der Menschheit.
Die Behandlung des Menschen – und nicht seiner Krankheit – ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen der Heilkunst Ayurveda und der üblichen Schulmedizin. Laut seiner eigenen Definition betrachtet Ayurveda den Menschen ganzheitlich in seiner gesamten Persönlichkeit, was sich auf seine physische und psychische Verfassung bezieht.
Gleichzeitig rücken zudem seine Herkunft und seine Lebensweise in den Mittelpunkt des Interesses. Dies alles in Einklang zu bringen und in Balance zu halten soll uns dabei unterstützen, präventiv zu leben, um gar nicht erst krank zu werden. Eine große Rolle spielen dabei die drei unterschiedlichen Lebensenergien, oder auch Doshas genannt, die in verschieden großen Anteilen in jedem von uns vorhanden sind.
Ihr Gleichgewicht soll für Zufriedenheit und Gesundheit sorgen. Ihre Disharmonie begünstigt angeblich das Entstehen toxischer Stoffe, die sich als Abfallstoffe im Körper ablagern und nicht mehr aus eigener Kraft abtransportiert werden können. Hierin sehen die ayurvedischen Experten die Ursache für viele Krankheitsbilder.
Schon immer lautete das oberste Gebot des Ayurveda die Erhaltung des lebensnotwendigen Gleichgewichts zwischen Körper, Seele, Gefühlswelt und der Natur. Dieses Wissen ist universell und überall gültig.
Wie in Sri Lanka und Indien, wo Ayurveda vor Tausenden von Jahren seinen Ursprung fand – das zumindest lassen die uralten Hindu-Schriften „Veden“ vermuten. Bereits in ihrem ersten Buch sind Beschreibungen von Operationen und Prothesen zu bestaunen.
Die Legende sagt, dass der Gott „Brahma“, nach Vorstellungen der indischen Philosophie, nicht nur das Universum, sondern auch Ayurveda erschaffen habe. Mithilfe von Heiligen und Göttern verbreitete er seine Heilkunde über Generationen auf der Erde.
Ayurveda wurde ab dem 12. Jhd. in Indien von den Muslimen und später auch von den Briten während der Kolonialzeit ab Mitte des 18. Jhd. unterdrückt. All das konnte jedoch der ayurvedischen Heilkunde nichts anhaben, die sich allen Hindernisse zum Trotz durchsetzte. Heute findet sich in jeder größeren Stadt Indiens ein ayurvedisches Krankenhaus.
Sushruta Samhita und Charaka Samhita gehören zu den wichtigsten Schriftensammlungen der ayurvedischen Literatur und gelten noch heute als die Standardwerke für alle angehenden Ärzte und Heiler. Ihre Entstehungszeit wird auf viele hundert Jahre vor Christi Geburt datiert. Aber auch weitere Schriften, die nach Christi Geburt entstanden, haben einen festen Platz in der ayurvedischen Tradition. Im Folgenden haben wir die Inhalte dieser Schriften grob zusammengefasst:
Ayurveda verfügt über mehrere elementare Stützpfeiler: Dazu gehören Massage, Reinigung, Ernährung, Yoga und Pflanzenkunde.
Dank der traditionellen ayurvedischen Ganzkörpermassage („Abhyanga“) sollen Schlacken wie Stoffwechselgifte und chemische Rückstände abtransportiert werden.
Zu den Reinigungstechniken oder Ausleitungsverfahren gemäß Ayurveda gehören die fünf Reinigungsrituale: Abführen, Einläufe, Aderlass, Erbrechen und die Nasenreinigung, zusammengefasst unter dem Namen Panchakarma.
Für ein gesundes und langes Leben sind laut Ayurveda qualitativ hochwertige Nahrung und ein funktionierendes Verdauungsfeuer („Agni“) wichtige Voraussetzungen. Jedoch geht es hierbei nicht um eine einzige wahre gesunde Ernährung, sondern um die perfekt zusammengestellten Lebensmittel, dem jeweiligen Individuum entsprechend.
Beim ganzheitlichen Yoga wird nach Ayurveda nicht nur der Körper gefordert, trainiert und harmonisiert, sondern auch der Geist und die Atmung. So können eingerostete Prozesse im Körper wieder in Schwung gebracht werden. Darüber hinaus soll es bei Asthma Linderung verschaffen und für erholsamen Schlaf sorgen.
Die ayurvedische Pflanzenheilkunde entspricht ganz dem Grundprinzip des Ayurveda: Es geht nicht um eine krankheitsorientierte Behandlung. Vielmehr wird der Grundzustand des Patienten ermittelt, wonach sich dann entsprechend die systemische, ganzheitliche Therapie mithilfe der entsprechenden Pflanzen und Kräuter anschließt.
Sie tragen so klangvolle Namen wie Vata, Pitta und Kapha und sind die sogenannten Doshas. Diese drei Konstitutionstypen gelten als die Basis, als die Säulen der biophysiologischen Kräfte unseres Körpers. Geraten die Doshas, die für die Regulation sämtlicher Körperfunktionen verantwortlich sind, aus der Balance, sollen Giftstoffe aus dem Körper schlechter abtransportiert werden, sich einlagern und hier Krankheiten verursachen.
In der ayurvedischen Lehre ist dies für den Körper eine verheerende Entwicklung, die Unwohlsein sowie Leistungsabfall und eben im schlimmsten Fall sogar Krankheiten begünstigen kann. Daher wundert es wenig, dass das Wort Dosha, das wörtlich übersetzt eigentlich (den Körper) „beeinflussender Faktor“ bedeutet, auch als „Fehlerquelle“ und „Fehlerpotential“ verstanden wird.
Fehlerquelle deshalb, weil ein aus dem Gleichgewicht geratenes Dosha seinem „Besitzer“ nahezu sofort Schwierigkeiten bereitet.
Dem Vata-Typ sind laut Ayurveda die Elemente Wind, Luft und Äther zugeordnet. Wobei er vor Luft und Wind in kalter Form so schnell er kann Reißaus nimmt. Der Vata-Typ liebt die Wärme, was eventuell mit seinem meist schlanken Körperbau zu tun hat.
Vata heizt allem Beweglichen in unserem Körper ordentlich ein. Dazu gehören zum Beispiel die Verdauung und der Stoffwechsel. Dementsprechend geht bei Menschen, die über viel Vata verfügen, immer alles sehr schnell.
Zuviel Vata beflügelt den Drang nach großen Taten und lässt Betroffene auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Dafür fehlt ihnen dann jedoch oft der nötige Atem und lässt sie frustriert und ergebnislos vor lauter Erschöpfung kapitulieren.
Motivation, Ehrgeiz, Perfektionismus und ein kleiner Schuss Kaltblütigkeit sind laut Ayurveda klassische Merkmale des Pitta-Typs. Sein Körperbau ist weder dünn noch dick, seine Statur liegt irgendwo dazwischen.
Sein Wesen ist charismatisch und kommt bei seinen Mitmenschen gut an. Außer sein Stern strahlt dank seines messerscharfen Verstandes zu hell und leuchtet die Wissenslücken seiner Umgebung gnadenlos aus.
Zu viel Pitta kann sich in Intoleranz und Aggressionen zeigen sowie in einer großen Unzufriedenheit mit der eigenen Leistung und der seines Arbeitsumfeldes. Körperlich leidet der Pitta-Typ dann häufig an Magenschmerzen, Durchfall und unreiner Haut.
Versuch es mal mit Gemütlichkeit! So könnte das Lebensmotto des Kapha-Typs lauten. Diesem Typ ist laut Ayurveda unter anderem das Element Erde zugeordnet. Und auf derselben bleibt er auch stets, zeigt sich sein Umfeld auch noch so hektisch und stressig.
Das soll nicht heißen, dass der Kapha-Typ arbeitsscheu oder reduziert ist. Er ist vielmehr von der besonnenen, ausdauernden Sorte und schaut lieber zweimal hin, bevor er folgenschwere Entscheidungen trifft.
Somit gehören Abenteuerlust und Schnelligkeit nicht gerade zu seinen hervorstechenden Tugenden. Was sich auch manches Mal in seiner Erscheinung widerspiegeln kann. Kapha-Typen sind von kräftiger Statur und anfällig für Übergewicht. Ein Zuviel an Kapha kann der Verdauung zusetzen und für übermäßigen Müßiggang sorgen. Außerdem kann es den Hang zu Gier und Neid auslösen.